Sprache auswählen

Traditioneller Workshop mit Khwe zum Aufbau eines Living Museums bei Divundu

Traditioneller Workshop mit den Khwe und Ju/'Hoansi Traditioneller Workshop mit den Khwe und Ju/'Hoansi

Seit 2009 versucht die LCFN bei den Khwe San im Norden Namibias ein Projekt in Form eines Lebenden Museums auf die Beine zu stellen, leider bislang erfolglos. Ständig wechselnde Projektgruppen, wenig Motivation und unrealistische Forderung durch die Khwe-Gruppenmitglieder, sowie einige gescheiterte Ansätze durch externe Entwicklungshilfeorganisationen ließen uns das Projekt eigentlich als gescheitert ansehen.

Einen neuen und finalen Versuch haben wir im Januar 2020 verfolgt. Dieser wurde angeregt und finanziert durch den Verein Futouris aus Deutschland und das namibische Reiseunternehmen ATC, die das traditionelle Dorf der Khwe schon seit 2013 unterstützen. Als Projektpate in Deutschland steht das deutsche Reiseunternehmen Gebeco hinter dem Projekt.

Der Ansatz der LCFN war es, mit einigen Mitgliedern der sich neu formierten Projektgruppe der Khwe auf eine kleine Workshop-Tour zu gehen und dabei 2 Lebende Museen zu besuchen, sowie an einem traditionellen Workshop teilzunehmen.

Vier Hauptziele standen hierbei im Vordergrund:

  1. Motivation der Khwe durch Museumsbesuch
  2. Wissenstransfer zum Lebenden Museum (Organisation und Verwaltung, mögliche Aktivitäten)
  3. Traditioneller Wissenstransfer (Herstellung traditioneller Kleidung, Werkzeuge und Waffen, Schmuck etc.)
  4. Vertrauensaufbau zwischen Projektgruppe und Leiter (Welche Bereiche deckt die LCFN ab)

Bericht von Projektleiter Sebastian Dürrschmidt

Hintergrund der Projekttour: Bei den Khwe gibt es bereits seit 2014 ein traditionelles Dorf mit ein paar Strohhütten. Dieses wird von ATC auf ihren Touren durch Nordnamibia besucht. In wechselnder Qualität und Besetzung gibt es für Touristen für N$ 150 pro Person ein Programm aus Spurenlesen und traditionellen Tänzen. Außer ATC besucht niemand das Dorf, es mangelt an Infrastruktur, Motivation, Aktivitäten und vor allem Marketing.

Ich hatte im Mai 2017 das Projekt zuletzt besucht und hatte viele Verbesserungsvorschläge gemacht und versucht, Motivationsarbeit zu leisten. Beim Projektmeeting mit den Khwe kam ich auf die Idee, einen interkulturellen Workshop mit den Ju/‘Hoansi zu organisieren, die bereits seit 2004 ihr Lebendes Museum sehr erfolgreich führen und über ein enormes traditionelles Wissen verfügen. Dieser Vorschlag wurde von Seiten der Khwe mit Begeisterung aufgenommen. Durch Verzögerung in der Finanzierung von Seiten Gebecos hat es bis Anfang 2020 gedauert, diese Tour zu organisieren.

Tag 1 – 13.01.2020

Lange Anfahrt nach Divundu mit 900km Teerstraße. Ich wurde von Herrmann aus dem deutschen Verein der LCFN begleitet.

Tag 2 – 14.01.2020

Am zweiten Tag besuchte ich die Projektgruppe in Mutc'iku an ihren Projektplatz. Eigentlich wollte ich zuerst das traditionelle Dorf besuchen und an den angebotenen Aktivitäten teilnehmen, aber zu diesem Zeitpunkt gab es weder Hütten noch Programm, was mich sehr verwunderte, denn ich hatte mich extra mehrfach dafür angemeldet.

Ohne das „Village Program“ gingen wir direkt zur Vorabdiskussion über. Khwe Manager Thaddeus Chedau, der auch der Vorsitzende der Kyaramacan Association war, die sich um die Belange der Khwe kümmert, berichtete über die Entwicklungen und Herausforderungen beim Projekt. Unter anderem erzählte er, dass das komplette Komitee (Externe Projektkoordinatorin, Chairperson, Vice-Chairperson, Understudy und Treasurer) nicht mehr Bestandteil der Gruppe ist, was für mich erst mal keine schlechte Nachricht war, denn – wie ich auch der Projektgruppe mitteilte – ist nicht das Komitee von Bedeutung sondern die Leute, die die Arbeit im Lebenden Museum machen, abgesehen davon, dass dieses Komitee so oder so völlig aufgebläht war.

Im Museum gibt es momentan 10 Leute in zwei Gruppen, also je fünf Museumsleute pro Gruppe, was eindeutig zu wenig ist. Thaddeus berichtete weiter, dass kaum Touristen kommen, dass die Aktivitäten nicht gut umgesetzt werden, dass die Elefanten die Strohhütten kaputt machen würden, dass kein Wasser am Museumsplatz sei und vieles weitere - alles eher schlechten Nachrichten.

Ich versuchte die Gruppe zu motivieren und erklärte dabei die Ziele der Projektreise und gab einige logistische Anmerkungen. Unter anderem entschlossen wir uns, nicht sechs sondern sieben Khwe mit auf Tour zu nehmen, der von ATC gemietete 9-Sitzer ließ das zu. Am nächsten Tag sollte es früh um 07:00 Uhr losgehen.

Tag 3 – 15.01.2020

Pünktlich um 07:00 Uhr holten wir Thaddeus, sowie drei Frauen und drei Männer der Projektgruppe in Mutc'iku ab. Einkauf in Rundu und langer Fahrtag, der eigentlich in Grashoek beim Lebenden Museum der Ju/‘Hoansi enden sollte. Durch einen Zwischenfall mit unserem Mietwagen (Felge mit Reifen hat sich gelöst, alle Radbolzen auf der linken Seite der Hinterachse waren defekt und mussten erneuerten werden), wobei glücklicherweise niemand verletzt wurde, hatte sich unsere Anfahrt um vier Stunden verzögert. Wir sind nur nach Roy’s Camp gefahren, etwa 100 km vor Grashoek.

„Living Museum“ Konzeptbesprechung bei Roy’s Camp

Am Nachmittag habe ich allen nochmals das Konzept der Lebenden Museen vorgestellt, Fokus auf „Ziele und Prinzipien des Lebenden Museums“. Es kam zu einer spannenden Diskussionsrunde. Danach zeigte Manager Thaddeus Chedau eine Fotokollektion, die er aus dem Oswin-Köhler Archiv am Institut für Afrikanistik der Universität Frankfurt mitgebracht hat. Hintergrund war eine Einladung von Thaddeus nach Frankfurt, wo ein Großteil der ethnologischen Sammlung von Prof. Dr. Oswin Köhler lagert. Köhler studierte von 1959 bis zu seinem Tod 1996 die Kultur und Sprache der Khwe und hinterließ eine riesige Sammlung an Artefakten und Dokumenten in Köln. Auf diesen Fotos fanden sich einige Werkzeuge und insbesondere Musikinstrumente, die es meines Wissens bei anderen San-Kulturen nicht gab und daher für die Khwe-Kultur einzigartig zu sein scheinen.

Nach dem Abendessen schauten wir uns den einstündigen Film über „The Life of the Old Khwe“ an, den die Anthropologin und Khwe-Forscherin Gertrud Boden aus alten Archivmaterial von Oswin Köhler geschnitten und mit einem Komitee aus Khwe-Ältesten überarbeitet hat. Darin geht es um das Dorf Mutc'iku in den Jahren 1962 und 1965. Es werden unter anderem Jagdzeremonien, Musikstücke und eine Beerdigung gezeigt – sehr interessant.

Tag 4 und 5 – 16.01.2020 & 17.01.2020

Sehr früh am nächsten Morgen fuhren wir die restlichen 100 km nach Grashoek und bauten zuerst das Camp auf.

Programm im Lebenden Museum der Ju/‘Hoansi

Nach dem Camp-Aufbau nahmen wir am etwa dreistündigen „Action Day“ Programm teil. Ziel dieses Programmbesuchs war es, den Khwe einen Einblick zu geben, wie andere Communities die Programme in ihren traditionellen Dörfern gestalten. Dies sollte einerseits einen Motivationsschub geben und andererseits einen Hinweis auf mögliche Aktivitätengestaltung im eigenen Projekt gewährleisten.

Programm im Lebenden Museum der Ju/‘Hoansi

Keiner der Akteure aus Grashoek ließ sich dies entgehen, es waren etwa 50 Erwachsene und eine große Anzahl an Kindern zugegen. Das Programm war sehr anschaulich und interaktiv. Im Mittelpunkt standen folgende Programmpunkte:

  • Traditionelles Feuermachen
  • Erklärung über Köcher und Pfeile, Pfeilgift, traditionellen Kleber etc.
  • Buschwanderung und Erklärung vieler einheimischer, von den San genutzter Pflanzen für Medizin, Schmuck, Nahrung und Kosmetik
  • Herstellung von Bögen und Schnüren aus dem Rosinenbusch
  • Herstellung von Schnüren und kleinen Seilen aus der Sansevieria
  • Schmuckherstellung aus Straußeneierschalen
  • Einige traditionelle Spiele
  • Heilungszeremonie

Sowohl das sehr interaktive Programm, die freundliche Art und Weise der Museumsleute als auch der riesiger, wunderschöne Craftshop waren meiner Meinung nach ein Augenöffner für die Khwe.

Khwe schließen sich der Ju/‘Hoansi gruppe beim Heilungsritual an

Nach dem Programm kam Antje Rahn von ATC an, die die Koordinierung auf Seiten des namibischen Tourismusunternehmens macht und am Workshop teilnehmen wollte.

Traditioneller Workshop im Ju/‘Hoansi Living Museum

Nach einer kurzen Mittagspause begann der Workshop, der von sechs traditionellen Lehrern und vielen weiteren hinzukommenden Ju/‘Hoansi-San aus Grashoek geleitet wurde.

Hauptziel dieses Workshops war es, den Khwe spezifische Techniken auf interaktive Weise zu erklären, wie traditionelle Sachen wie Kleidung, Waffen, Werkzeuge und Schmuck hergestellt werden können. Dies geschah stets mit dem Bewusstsein, dass die Kultur der Khwe und die Kultur der Ju/‘Hoansi große Unterschiede aufweist. Zum Beispiel sprechen die zwei Sangruppen eine völlig andere Sprache (die für Außenstehende komplett identisch klingt) und verstehen sich gegenseitig nicht. Auch andere Teile der sichtbaren und unsichtbaren Kultur sind sehr verschieden, etwa Hüttenbau, Musikinstrumente, Waffen, Werkzeuge, Schmiedekunst. Dennoch können durch diesen interkulturellen Wissenstransfer auf Seiten der Khwe viele wichtige traditionelle Techniken erlernt werden, mit denen sie kulturspezifische Sachen fertigen können.

Frauenspezifische Techniken

Schmuckherstellung: Die drei Frauen der Khwe fertigten die nächsten zwei Tage Schmuckstücke aus Straußeneierschalen, die wir aus Windhoek mitgebracht hatten, Samen und Holzperlen und lernten dazu noch verschiedene Färbetechniken von Straußeneierschalen, sowie Verzierungsmöglichkeiten für Holzperlen kennen.

Schmuckherstellung

Männerspezifische Techniken

Fellbearbeitung: Aus unseren mitgebrachten Impalafellen wurden nach dem Entfernen der Haare und Sehnen- und Fettrückstände mithilfe der Wild Onion Wurzel Leder gegerbt, die anschließend spezifisch für Frauen und Männer zurechtgeschnitten wurden.

Köcherherstellung: Aus der Wurzel der False Acacia wurden durch „Backen“ im Sandboden Köcher hergestellt und diese an den Enden mit Fell verschlossen.

Bogenschnitzen und Schnurmachen: Aus Sansevieria wurden Schnüre und dünne Seile gemacht. Bögen wurden gebaut, die für die Khwe in größerer Ausfertigung geschnitzt wurden.

Schmiedeworkshop

Schmiedeworkshop: Ein Hauptbestandteil des Workshops waren die Schmiedearbeiten. So wurden Pfeilspitzen (Siehe Unterschied zwischen Ju/‘Hoansi und Khwepfeilspitzen im Bild unten), Speerspitzen und Messerspitzen gefertigt. Weiterhin wurden kleine Äxte, die sogenannten Chop-Chops hergestellt.

Khwe Pfeilspitzen 2 x links, Ju/‘Hoansi 1 x rechts

Alles in allem waren es zwei sehr aufregende und beschäftigte Tage. Die San der beiden Gruppen arbeiteten jeden Tag mit Mittagspausenunterbrechung von früh um 07:00 Uhr bis in die Abendstunden.

Tag 6 – 18.01.2020

Am dritten Tag des Workshops wurde bis Mittag die traditionelle Kleidung fertig gestellt und die restlichen Sachen finalisiert. Am Ende gab es nettes Gruppenfoto und eine herzliche Verabschiedung zwischen Ju/’Hoansi und Khwe.

Gruppenfoto

Wir fuhren in Richtung Rundu, bauten am Samsitu Campingplatz das Zeltlager auf und diskutierten am Nachmittag über die Do’s and Dont’s des Lebenden Museums. Weiterhin startete ich eine Fragerunde mit allen Khwe, was ihre Gedanken zur Reise waren. Sie schienen sehr begeistert und motiviert und bedankten sich vielmals für die Gelegenheit, an diesem Workshop und an den Museumsprogrammen teilzunehmen.

Schließlich gab ich noch einige konkrete Tipps zum weiteren Aufbau ihres Museums und bat Sie, sich am späteren Nachmittag zusammenzusetzen und ein Programm für ihr Lebendes Museum auszuarbeiten. Nach Ansicht dieser Programmskizzen stellte ich fest, dass diese zu nah an den Aktivitäten des Ju/‘Hoansi Living Museum angelehnt waren, es fehlte die Eigenständigkeit und Individualität der Khwe darin. Das wurde thematisiert und ich sprach an, dass sie sich vom Programm der Ju/‘Hoansi etwas lösen sollten.

Programmerstellungsworkshop der Khwe am Okavango

Tag 7 – 19.01.2020

Bevor ich die Khwe nach Mutc'iku zurück fuhr, besuchten wir das Lebende Museum der Mbunza am Samsitu See (der momentan leider immer noch ausgetrocknet ist). Dieses zum Ju/‘Hoansi Museum sehr unterschiedliche Projekt mit einem großen traditionellen Dorf und ganz anderen Aktivitäten hat den Khwe meiner Meinung nach noch einmal einen Denkanstoß in eine etwas andere Richtung bezüglich des möglichen Aktivitätenangebotes in ihrem Museum gegeben. Vor allem die Aktivitäten wie Schmieden, traditionelle Spiele und so weiter fanden großen Anklang.

Im Mbunza Living Museum

Tag 8 – 20.01.2020

Lange Rückfahrt von Divundu nach Windhoek

Fazit der Workshoptour mit den Khwe

Die vier Ziele des traditionellen Workshops konnte erreicht werden:

  1. Motivation durch Museumsbesuch

Der Besuch der zwei Museum hat den Khwe gezeigt, was bei der traditionellen Darstellung innerhalb der Lebenden Museen für Möglichkeiten bestehen. Durch die Interaktivität und gute Leistung der Akteure der Ju/‘Hoansi und Mbunza konnte das Konzept auf praktische Art und Weise verdeutlicht und die Khwe miteinbezogen werden. Ich bin sicher, dass die Khwe nach dem Workshop bei weitem besser vorstellen können, wie sie ihr eigenes Projekt nun interaktiver und vielfältiger gestalten können.

  1. Wissenstransfer zum Lebenden Museum (Organisation und Verwaltung, mögliche Aktivitäten)

Durch Gespräche und Beschreibungen des Konzeptes der Lebenden Museen über die Tage der Reise, konnte auf Seiten der Khwe sicherlich ein größeres Verständnis des Konzepts im Allgemeinen erreicht werden, aber auch wie ein Lebenden Museum organisiert und verwaltet werden kann. Dieses wird in weiteren Treffen mit den Khwe noch intensiviert werden.

  1. Traditioneller Wissenstransfer (Herstellung traditioneller Kleidung, Werkzeuge und Waffen, Schmuck etc.)

Der eigentliche traditionelle Workshop der Khwe bei den Ju/‘Hoansi war ein voller Erfolg. Viele Dinge konnten bereits gefertigt werden und können im Lebenden Museum der Khwe zum Einsatz kommen. Vor allem konnten traditionelle Techniken in vielen Bereichen vermittelt werden, immer mit dem Bewusstsein, dass die traditionelle Khwe-Kultur Unterschiede zur Kultur der Ju/‘Hoansi aufweist. Zurück in Windhoek konnten zwei wissenschaftliche Sachverständige kontaktiert werden, die sich zu einem späteren Zeitpunkt aus anthropologischer (Gertrud Boden) und linguistischer (Anne-Marie Fehn) Perspektive mit dem Projekt beschäftigen können. Sie haben uns ihre Unterstützung zugesagt.

  1. Vertrauensaufbau zwischen Projektgruppe und Leiter sowie die Frage, welche Bereiche die LCFN abdeckt.

Durch die Tour konnte erstmalig eine festere Kooperation zwischen der LCFN und einer motivierten Projektgruppe aufgebaut werden. Dies wurde durch vormals ständig wechselnde Projektträger bei den Khwe verhindert. In Gesprächen konnte die Aufgabe der LCFN mehrfach verdeutlicht und ihre Ansprüche an ein Khwe Lebendes Museum aufgezeigt werden. Durch den Besuch der Lebenden Museen haben die Khwe verschiedene Marketingsachen direkt gesehen, zum Beispiel die großen Straßenschilder, Rezeptionsschilder, Logos, Programme und vieles mehr. Es wurde beschlossen für die Khwe ein Logo mit Elefant und San-Spurenleser zu erstellen. Beim nächsten Treffen werde ich dies vorstellen.

×
Stay Informed

When you subscribe to the blog, we will send you an e-mail when there are new updates on the site so you wouldn't miss them.

Corona-Situation in den Lebenden Museen in Namibia...
Projekttour November 2019 zu den Lebenden Museen d...

Ähnliche Beiträge